Obwohl bekannt ist, dass kardiovaskuläre Erkrankungen die häufigste Komorbidität bei der Lungenerkrankung COPD darstellen, wurde der direkte Einfluss einer atemwegsbeeinflussenden Medikation auf die Herzfunktion bisher nur unzureichend untersucht. In einer interdisziplinären Studie zeigten Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL) am Standort Hannover (BREATH) erstmals, dass sich die Herzfunktion durch die Kombination von zwei bronchienerweiternden Medikamenten bei COPD mit pulmonaler Überblähung verbessert.
COPD ist die weltweit verbreitetste chronische Lungenerkrankung und die einzige der zehn am häufigsten zum Tode führenden Krankheiten, deren Inzidenz ansteigt. Allein in Deutschland geht man von etwa 7 Millionen Erkrankten aus. Der Krankheitsverlauf von COPD-Patienten ist in erster Linie durch eine fortschreitende Verschlechterung der Lungenfunktion und eine Abnahme der körperlichen Belastbarkeit gekennzeichnet. Entzündliche Prozesse in den Atemwegen, ausgelöst durch inhalierte Schadstoffe, vor allem durch Zigarettenrauch, führen zu einer zunehmenden Zerstörung der Bronchial- und Lungenstruktur mit typischen Einschränkungen der Lungenfunktion. Typisch für die COPD ist dabei, dass die in der Lunge enthaltene Luft nicht vollständig entweichen kann. Das Restvolumen in der Lunge steigt und es kommt zur sogenannten pulmonalen Überblähung. Durch den verringerten Sauerstoffanteil im Blut erhöht sich mit der Zeit das Pumpvolumen des Herzens. Im Spätstadium der Erkrankung ist dadurch die Herzfunktion beeinträchtigt, wodurch die körperliche Belastbarkeit der Patienten zusätzlich eingeschränkt wird.
Medikamente, die die Bronchien erweitern, sogenannte Bronchodilatatoren, können diesen Prozess abmildern, indem sie durch ein Absenken des Tonus‘ der Bronchialmuskulatur eine Weitung der Bronchien bewirken und gleichzeitig die Überblähung reduzieren. Die Empfehlungen von Lungenexperten der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) sehen aktuell die Gabe von langwirksamen Bronchodilatatoren bei COPD-Patienten ab einem mittleren Schweregrad vor. Der Behandlungsplan sieht zunächst die Gabe eines Einzelpräparats und im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf eine Kombinationstherapie mit zwei verschiedenen Wirkstoffen vor.
Obwohl ein Einfluss der pulmonalen Überblähung auf die Herzfunktion naheliegt, wurde der direkte Einfluss der Kombinationstherapie mit zwei Bronchodilatatoren, einem Beta-2-Agonisten (LABA) und einem Anticholinergika (LAMA), auf beide Organsysteme bisher noch nicht simultan untersucht. Im Rahmen der von Novartis finanzierten CLAIM-Studie untersuchten die DZL-Forscher Prof. Dr. Jens Hohlfeld, Bereichsleiter der Atemwegsforschung am Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM) und DZL-Vorstandsmitglied Prof. Dr. Tobias Welte, Direktor der Klinik für Pneumologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) gemeinsam mit Prof. Dr. Jens Vogel-Claussen, Leitender Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der MHH, erstmals den direkten Zusammenhang zwischen pulmonalen und kardialen Veränderungen unter Therapie mit dem bronchienerweiternden Kombinationspräparat.
Die hannoverschen DZL-Wissenschaftler behandelten insgesamt 62 Patienten mit moderater bis schwerer COPD und bekannter Lungenüberblähung über einen Zeitraum von 14 Tagen einmal täglich mit der Wirkstoffkombination Indacaterol/Glycopyrronium oder mit Placebo. Bereits nach diesem vergleichsweise kurzen Zeitraum verbesserten sich die untersuchten pulmonalen und kardialen Parameter. Die Lungenüberblähung reduzierte sich deutlich ausgeprägter als in vorangegangenen Studien. Gleichzeitig verbesserte sich die Herzleistung substanziell. Da das Herzschlagvolumen zunahm, gehen die Wissenschaftler von einer Verringerung der Lungenüberblähung aus.
Die Verbesserung der untersuchten funktionellen Parameter führte auch dazu, dass sich die Patienten besser fühlten und weniger Beschwerden wahrnahmen, gemessen an Hand des COPD Assessment Tests (CAT) und des Transition Dyspnea Index (TDI), zwei etablierte Verfahren zur Bestimmung der Auswirkungen der COPD auf das Wohlbefinden und tägliche Leben der Patienten.
„Die CLAIM-Studie leistet damit einen wesentlichen Beitrag zum besseren Verständnis des Einflusses von Lungenfunktionsveränderungen auf kardiovaskuläre Parameter bei COPD-Patienten. Die Ergebnisse der Studie liefern einen ersten Hinweis, dass die Behandlung mit dem bronchienerweiternden Kombinationspräparat bereits für COPD-Patienten mit ersten Anzeichen einer Lungenüberblähung klinisch sinnvoll sein könnte, um die Leistungsfähigkeit zu steigern. Weitere Studien bei COPD-Patienten mit eingeschränkter Herzfunktion sind erforderlich, um die Effekte einer Bronchodilatation auf das Fortschreiten der Herzerkrankung zu ermitteln“, erklärt Prof. Dr. Welte.
Alle Ergebnisse der CLAIM-Studie wurden in der international renommierten Fachzeitschrift „The Lancet Respiratory Medicine“ veröffentlicht.
Dr. Claudia Davenport
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zur News des DZL-Standorts Hannover (BREATH) (Autorin: Claudia Davenport)
Quelle: idw