Bei der Regeneration der Lunge nach Erkrankungen oder umweltbedingten Belastungen läuft eine Reihe von Zelldifferenzierungsprozessen ab, die in ihren molekularen Details noch nicht gut verstanden sind. Forscher des DZL-Standorts München (CPC-M) und des ICB (Helmholtz Zentrum München) haben einen neuen Stammzellzustand entdeckt und konnten die zelluläre Hierarchie während der Regeneration der Lungenbläschen nach einer Verletzung entschlüsseln. Die Ergebnisse ihrer Arbeit wurden jetzt in Nature Communications veröffentlicht.
Lungenkrankheiten sind für ein Sechstel der Todesfälle weltweit verantwortlich. Aufgrund ihrer Oberfläche bietet das Lungenepithel eine große Angriffsfläche für mikrobielle und umweltbedingte Schädigungen. Verschiedene Stammzellpopulationen können diese Schädigungen reparieren, indem sie die geschädigten Zellen ersetzen. Im Prozess der Zelldifferenzierung verändern die Stammzellen ihre Genaktivitäten und damit auch langfristig Ihre Identität. Die molekulare Steuerung und Dynamik solcher Prozesse ist derzeit wenig untersucht. Mit zeitaufgelöster Einzelzell-Transkriptomik und Lineage Tracing konnte das Team um Herbert Schiller (CPC-M) und Fabian Theis (ICB) die zelluläre Hierarchie während der Regeneration der Lungenbläschen (Lungenalveolen) nach einer Verletzung jetzt teilweise entschlüsseln.
Die Wissenschaftler aus den Instituten für Lung Biology and Disease sowie Computational Biology und ihre Kolleginnen und Kollegen untersuchten den Ablauf der Zelldifferenzierungsprozesse für 28 verschiedene Zelltypen und erstellten eine Karte mit Einzelzell-RNA-Sequenzdaten der Zellzustandsänderungen während der Lungenregeneration. Dabei fanden sie heraus, dass bei der Lungenfibrose ein bestimmter Übergangszustand abnormal ausgeprägt ist. Dieser Fehler im Ablauf des Regenerationsprozesses ist möglicherweise ursächlich für die Entstehung der Erkrankung verantwortlich. Das Ergebnis stellt eine wichtige molekulare Grundlage für die Entwicklung künftiger Therapien dar.
„Um die Zellen in der krankhaft veränderten Lunge künftig wieder auf 'normal' zu reprogrammieren, müssen wir zuerst den Ablauf und die Steuerung der Zellzustandsveränderungen im Verlauf der normalen Heilung verstehen. Unsere Daten lassen vermuten, dass bestimmte regenerative Stammzellzustände in der vernarbten Lunge von Patienten mit Lungenfibrose chronisch persistieren“, erklärt der Leiter der Studie Dr. Herbert Schiller.
Weitere Untersuchungen, die den genauen Mechanismus des neu entdeckten Stammzellzustands in der Pathogenese der Fibrose aufklären sollen, sind bereits im Gange.
Alveoläre Stammzellen (rot) verändern während der Lungenregeneration ihre Form und werden zu flachen Alveolarepithelzellen (grün).
© Helmholtz-Zentrum München
Strunz M et al, nature communications, 2020: Alveolar regeneration through a Krt8+ transitional stem cell state that persists in human lung fibrosis.