Wissenschaftler des DZL haben gemeinsam mit Forschenden des ILBD/CPC Helmholtz Zentrum München eine neue Wirkstoffklasse identifiziert, welche die Entwicklung von Medikamenten gegen Fibrose ermöglicht. Die Arbeit wurde in Science Advances veröffentlicht.
Fibrosen können schwere chronische Krankheiten auslösen, die zu Organversagen und Tod führen. Zu den zugrundeliegenden biologischen Prozessen gehört die massive Ablagerung von abnormalen Zellen in der extrazellulären Matrix (ECM), einem Bestandteil des Bindegewebes. Die DZL-Forscher Michael Gerckens und Dr. Gerald Burgstaller haben gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern Moleküle entdeckt, die dem Fortschreiten einer Lungenfibrose entgegenwirken können, sogenannte N-(2-Butoxyphenyl)-3-(phenyl)acrylamide, kurz N23Ps.
Wenn sich eine Fibrose entwickelt, führen wiederholte und ständige Verletzungen zu einer anhaltenden und sich selbst erhaltenden Aktivierung von Zellen des Bindegewebes, den Fibroblasten. Durch diese Aktivierung kommt es zu einer Zellveränderung, wodurch das Lungengewebe versteift und die normale Lungenarchitektur langfristig zerstört wird. Die neu entdeckte Wirkstoffklasse der N23Ps beeinflusst das körpereigene regulatorische Signalnetzwerk TGF1 und verhindert, dass sich Bindegewebe ablagert. Das Protein TGF1, ist ein zentraler Akteur bei verschiedenen fibrotischen Erkrankungen und maßgeblich an der Aktivierung von Fibroblasten beteiligt. Es vermittelt wachstumsfördernde Signale, was die Veränderungen dieser Zellen auslösen kann.
Für ihre Arbeit haben die Wissenschaftler das Verfahren des Hochdurchsatz-Screenings angewandt. Proteine aus einer Bibliothek mit kleinen Molekülen zur Hemmung der ECM-Ablagerung wurden dabei in einem weitgehend automatisierten Prozess umfassend untersucht und auf ihre Wirksamkeit ausgewertet. Um die zu untersuchenden chemischen Verbindungen möglichst naturgemäß testen zu können, haben die Forschenden menschliches Lungengewebe verwendet. Die Untersuchungen fanden zum einen in Zellkultur unter Verwendung von im Labor gezüchteten menschlichen Lungenfibroblasten sowie Präzisions-Lungenschnitten statt. Dabei konnten die Forschenden N23Ps als neuartige und hochwirksame antifibrotische Wirkstoffe identifizieren.
Akuter Bedarf an Medikamenten gegen Fibrose
Fibrotische Erkrankungen können nahezu jedes Gewebe im Körper betreffen und sind für mehr als 45 Prozent aller Todesfälle in den Industrieländern verantwortlich. Bei fortschreitender Erkrankung können sie rasch zu Organdysfunktion, Organversagen und schließlich zum Tod führen. Aufgrund ihrer weiten Verbreitung, der hohen Sterblichkeitsrate und fehlenden geeigneten antifibrotischen Therapien werden neuen Strategien zur Arzneimittelentwicklung dringend benötigt.
Am Beispiel der idiopathischen Lungenfibrose (IPF), einer rasch fortschreitenden und tödlich verlaufende fibrotischen Erkrankung, lässt sich die Problematik genauer veranschaulichen. Patienten mit dieser häufigen Form der Fibrose, welche das Bindegewebe der Lunge betrifft, überleben durchschnittlich drei bis fünf Jahre. Derzeit sind nur zwei zugelassene antifibrotische Medikamente für eine Behandlung von IPF auf dem Markt: Pirfenidon und Nintedanib. Zwar verlangsamen beide Substanzen eine Verschlechterung der Lungenfunktion, jedoch können sie das Fortschreiten der Krankheit nicht aufhalten.
Nach Aussage der Wissenschaftler war bisher weder eine chemisch ähnliche Verbindung zu den entdeckten N23Ps bekannt, noch gab es Verbindungen mit ähnlichen biologischen Wirkungen. Die Forschenden versprechen sich daher, dass die von ihnen entdeckten Wirkstoffe zu der Entwicklung von neuen antifibrotische Therapien beitragen können.
Weitere Informationen:
Original Publikation: Phenotypic drug screening in a human fibrosis model identified a novel class of antifibrotic therapeutics
Quelle: https://cpc-munich.de/newsveranstaltungen/news/news/article/29430.html