Warum erkranken Kinder, die auf Bauernhöfen aufwachsen, seltener an Asthma und Allergien? Forscherinnen und Forscher am Dr. von Haunerschen Kinderspital des LMU Klinikums haben einen bedeutenden Schritt gemacht, um zu verstehen, wie dieser „schützende Farmeffekt“ funktioniert. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Fachjournal Allergy veröffentlicht.
Der „Farmeffekt“ und die Hygiene-Hypothese
Das Phänomen des „Farmeffekts“ beruht auf der etablierten Hygiene-Hypothese, die besagt, dass das kindliche Immunsystem in den frühen Lebensjahren durch regelmäßigen Kontakt mit bestimmten Mikroorganismen trainiert wird. Dieser Kontakt hilft dem Immunsystem, nicht übermäßig auf harmlose Substanzen zu reagieren und fördert eine gesunde Immunbalance. Studien haben gezeigt, dass Kinder, die in ländlicher Umgebung aufwachsen und regelmäßig mit Stallstaub in Kontakt kommen, signifikant weniger Asthma entwickeln als ihre Altersgenossen aus städtischen Gebieten.
Neue Erkenntnisse zu Immunreaktionen durch Stallstaub
Ein Team unter der Leitung von Prof. Dr. Bianca Schaub, Professorin für Pädiatrische Allergologie an der LMU und Leiterin des Krankheitsbereichs Asthma & Allergien im DZL, hat in einer Zellkulturstudie untersucht, wie das Immunsystem auf Stallstaub reagiert. Sie konnten zeigen, dass bei Kindern mit manifestem Asthma nach der Stimulation mit Stallstaub bestimmte Zellen des angeborenen Immunsystems verringert wurden. Gleichzeitig nahmen Subpopulationen von Zellen des erworbenen Immunsystems zu, darunter B-Zellen und bestimmte T-Helferzellen. Diese Veränderungen weisen auf eine Modulation des Immunsystems hin, die entzündungshemmende Effekte zur Folge haben könnte.
„Wir wissen mittlerweile, dass das angeborene Immunsystem in der Allergieentstehung und auch in der Prävention viel zentraler ist, als wir über Jahrzehnten dachten“, erklärt Prof. Schaub. Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass der Schutz durch Stallstaub über antientzündliche Effekte vermittelt wird.
Lipokaline im Stallstaub: Schützende Proteine
Zudem zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie unter Beteiligung von Prof. Dr. Erika von Mutius, DZL-Forscherin und ehemalige Vorständin, sowie Direktorin des Institute of Asthma and Allergy Prevention am Helmholtz Zentrum München, dass in Stallstaub Transportproteine – sogenannte Lipokaline – enthalten sind, die die Immunfunktion beeinflussen. Diese Moleküle kommen in Stallstaub in besonders hohen Konzentrationen vor und könnten maßgeblich zur schützenden Wirkung beitragen.
Perspektiven für die Therapie von Asthma und Allergien
Die Forscherinnen und Forscher setzen ihre Arbeit fort, mit dem Ziel, die spezifischen Substanzen im Stallstaub zu identifizieren, die das Immunsystem positiv beeinflussen. Ihr langfristiges Ziel ist es, diese nützlichen Substanzen auch Kindern zugänglich zu machen, die nicht in ländlichen Regionen leben. „Die Tatsache, dass die Stimulation mit Stallstaub die Immunreaktionen im Labor sogar bei erkrankten Asthmatikern modulieren kann, eröffnet möglicherweise neue Wege für die Therapie bereits symptomatischer Kinder“, sagt Prof. Schaub.
Diese Forschung könnte langfristig dazu beitragen, innovative Therapieansätze zur Vorbeugung und Behandlung von Asthma und anderen Allergien zu entwickeln.
Quelle: Das Geheimnis des Stallstaubs | LMU Klinikum
Originalpublikation: Beerweiler CC, Salvermoser M, Theodorou J, Böck A, Sattler F, Kulig P, Tosevski V, Schaub B. Farm-dust mediated protection of childhood asthma: Mass cytometry reveals novel cellular regulation. Allergy. 2024 Nov;79(11):3022-3035. doi: 10.1111/all.16347. Epub 2024 Oct 14. PMID: 39400913.