Dass unser Atem Informationen über den Gesundheitszustand enthält, ist bereits seit der Antike bekannt. Schon damals wurde der Atemgeruch interpretiert und gab Hinweise auf Krankheiten wie Diabetes oder Funktionsstörungen der Leber. Da ist es wenig überraschend, dass auch Tiere mit einem ausgeprägten Geruchssinn wie Hunde oder Ratten in der Lage sind, Krankheiten wie z.B. Krebs oder Covid-19 am Menschen wahrzunehmen.
Aus der Antike in die Zukunft
Da es relativ aufwendig ist, Tiere zu trainieren, gehen Mitarbeiter der Forschungsgruppe Bioanalytische Chemie von PD Dr. Dominik Schwudke am Forschungszentrum Borstel einen anderen, auch besser standardisierten Weg: Sie sind davon überzeugt, dass die Atemanalyse durch massenspektroskopische Methoden innovative Diagnosemöglichkeiten eröffnet. Dr. Franziska Waldow, Leiterin der Pilotstudie, erläutert dazu: „Zunächst untersuchen wir gesunde Personen, um die Methodik dieser hochsensitiven Technik sowie die Datengrundlage zu testen.“ Dies soll unter mithilfe von Freiwilligen – gesunden Probanden ab 18 Jahren – geschehen, die ihren Atem in einem Einzeltermin analysieren lassen.
Aktuell diagnostizieren Ärzte Lungenerkrankungen in erster Linie mittels Funktionsmessungen oder radiologischen Bildgebungsverfahren. Diese detektieren pathologische Veränderungen aber häufig erst im fortgeschrittenen Krankheitsstadium. Atemanalytik hingegen ist besonders interessant für die Früherkennung von Lungenkrankheiten wie COPD, Lungenkrebs aber auch Infektionen der Luftwege. Die zu untersuchenden Moleküle stammen aus dem Blut und gelangen über den Gasaustausch in der Lunge in die Atemluft. Da unser Blutkreislauf sämtliche Organe miteinander vernetzt, könnten Bestandteile des Atems auch medizinische Informationen über die Lunge hinaus geben.
Plasma ionisiert ausgeatmete Moleküle
Die Technologie hinter der Studie ist eine Entwicklung der Plasmion GmbH (Augsburg). Nun erproben die Borsteler Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen deren Einsatz in allen Details. Dafür pusten Probanden zunächst über einen Aufsatz direkt in das Gerät. Dabei werden Moleküle aus dem Atem auf ihrem Weg in das Massenspektrometer über ein Plasma ionisiert und entsprechend ihrer Molekülmasse aufgetrennt. Da so die unterschiedlichen Arten der Moleküle nachweisbar sind, lässt sich für jeden Probanden ein individuelles Metabolitprofil messen. Unter Metaboliten verstehen die Forschenden Stoffwechselprodukte des Körpers. Somit erhält man im übertragenen Sinn einen Fingerabdruck des Gesundheitszustandes mithilfe der Atemluft. Die Forschung an einer derartig minimalinvasiven Diagnostik ist von großem Interesse für die Weiterentwicklung personalisierter Medizin am DZL und am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF). Weitere DZL-Projekte zu diesem Thema laufen im ALLIANCE-Asthma-Register und in der EMoLung-Studie in der Disease Area Lungenkrebs. Beide Projekte zeigten aber auch Aspekte auf, die noch weiterer Erforschung bedürfen.
Hierzu soll die neue Borsteler Studie beitragen. „Was dieses Projekt so reizvoll für mich macht, ist die Möglichkeit, modernste Technologie – hier Massenspektrometrie – direkt mit einer medizinischen Anwendung zu verbinden. Es braucht ja nur kontrolliert ausgeatmet zu werden“, so Richard Küchler, der seine Masterarbeit über diese Studie schreibt und zudem Teilnehmenden im Rahmen des Projekts Einblicke in die aktuelle Lungenforschung geben möchte.
Weitere Informationen:
Interessierte erhalten auf der Website atemanalytik.fz-borstel.de weitere Informationen über die Studie und können sich ganz einfach online registrieren, um teilzunehmen.