DZL-Ärzte und Wissenschaftler aus Hannover und München haben herausgefunden, dass mit SARS-CoV-2 infizierte Lungentransplantatempfänger durch eine Behandlung mit monoklonalen Antikörpern, die gegen das Spike-Protein des Virus gerichtet sind, im Vergleich zu unbehandelten Patienten einen deutlich milderen Krankheitsverlauf haben und seltener versterben. Diese Erkenntnisse waren nur durch die enge Zusammenarbeit der beiden größten deutschen Lungentransplantationszentren Deutschlands im DZL möglich. Die Studie wurde im European Respiratory Journal veröffentlicht.
Lungentransplantationspatienten sind auch aufgrund der Immunsuppression besonders anfällig für Infektionen, allen voran Infektionen der Atemwege und der Lunge. Bereits früh in der Pandemie wurde erkannt, dass Lungentransplantierte ein stark erhöhtes Risiko haben, an COVID-19 schwer zu erkranken und an den Folgen der Infektion zu versterben, eine Beobachtung, die in dieser DZL-Studie klar bestätigt wurde. Diese besonders ernste Situation von Lungentransplantierten mit COVID-19 ist verständlich, da jedes Lungentransplantat eine erhebliche Vorschädigung aufweist und damit eindringende Coronaviren besonders ausgedehnte zusätzliche Gewebeschäden verursachen können. Die natürlichen Abwehrprozesse einschließlich der Bildung von körpereigenen Antikörpern sind zudem durch die Immunsuppression in diesen Patienten behindert, sodass sich das Virus besonders gut vermehren kann. Weiterhin fördert jede Art der Entzündung akute und chronische Abstoßungsprozesse, die die Krankheitsprozesse komplizieren und verschlimmern. Die Behandlung SARS-CoV-2-infizierter Lungentransplantatpatienten stellte die Kliniker daher vor eine große Herausforderung.
In den Transplantationszentren in Hannover und München wurde daher die Wirksamkeit einer Therapie SARS-CoV-2-infizierter Lungentransplantatpatienten mit Antikörperpräparaten (Casirivimab-Imdevimab), die gegen das Spike-Protein von SARS-CoV-2 gerichtet sind, in einer retrospektiven Studie untersucht. Da das Spike-Protein eine zentrale Rolle beim Eintritt der Viren in die Zelle spielt, verhindern diese Antikörper die Infektion von Körperzellen und damit die Ausbreitung des Virus. Diese Behandlung ähnelt einer passiven Immunisierung, wie sie nach einer mutmaßlichen Infektion bei nicht geimpften Patienten eingesetzt wird, um sie vor einer Tetanus- oder Tollwuterkrankung zu schützen. Eine Behandlung Casirivimab-Imdevimab ist aus theoretischer Sicht besonders bei immunsupprimierten an COVID-19 erkrankten Lungentransplantierten sinnvoll, da ihre Fähigkeit, nach Impfung oder Infektion selbst Antikörper zu bilden, stark eingeschränkt ist.
Insgesamt konnten an beiden Zentren im Untersuchungszeitraum 1 631 Patienten mit Lungentransplantaten beobachtet wurden, von denen sich 133 mit SARS-CoV-2 infizierten. Von den infizierten Patienten bekamen 44 die gegen das spike-Protein von SARS-CoV-2 gerichteten Antikörper innerhalb von drei Tagen nach Symptombeginn injiziert. In der behandelten Patientengruppe trat keine schwere Erkrankung und kein Todesfall auf, wohingegen in der nicht behandelten Gruppe über 50% der Patienten schwer erkrankten und 30% von ihnen verstarben. Auch wenn es sich bei dieser Studie um eine retrospektive Studie handelt, zeigt sie jedoch sehr klar, dass eine frühe Behandlung mit Casirivimab-Imdevimab einen erheblichen Überlebensvorteil für Lungentransplantierte mit COVID-19 darstellt.
Damit wurde COVID-19 in Lungentransplantatpatienten der Schrecken genommen.
Originalpublikation
Jens Gottlieb, Martin Kolditz, Nils Gade, Tobias Welte, Nikolaus Kneidinger, Benefit of monoclonal antibodies in early treatment of COVID-19 after lung transplantation – a retrospective analysis in two centers, European Respiratory Journal 2022; DOI: 10.1183/13993003.00124-2022