Ein Team um Dr. Jan Böttcher, Forschungsgruppenleiter am Institut für Molekulare Immunologie der Technischen Universität München und DZL-Forscher Prof. Sebastian Kobold, stellvertretender Direktor der Abteilung Klinische Pharmakologie am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, hat gezeigt, dass ein Botenstoff von Tumorzellen sogenannte zytotoxische T-Zellen in einer frühen Phase der Immunantwort ausbremst. Bei dem Botenstoff handelt es ich um Prostaglandin, das von vielen Tumorzellen verstärkt ausgeschüttet wird.
Prostaglandin bindet an Rezeptoren auf der Oberfläche bestimmter Immunzellen, der sogenannten stammzellartigen T-Zellen. Bei einer funktionierenden Immunantwort wandern diese Immunzellen in den Tumor ein, vermehren sich dort und entwickeln sich zu zytotoxischen T-Zellen weiter, die den Krebs attackieren. Prostaglandin verhindert diese Entwicklung, so dass die T-Zell-Antwort zusammenbricht und der Tumor ungehindert wachsen kann.
Blockierten die Forschenden in Tumormodellen die Wechselwirkung von Prostaglandin und dem Rezeptor auf der Oberfläche der Immunzellen, konnte das Immunsystem effektiv gegen Tumore vorgehen
Ansatzpunkt in früher Phase der Immunantwort
„Wir haben einen Mechanismus entdeckt, der die Immunabwehr des Körpers in einer entscheidenden Phase beeinflusst“, sagt Jan Böttcher. „Viele Tumore verhindern so, dass sich aus den stammzellartigen T-Zellen überhaupt zytotoxische T-Zellen im Tumor bilden, die den Krebs attackieren könnten."
Bisherige Therapien setzen an einem späteren Zeitpunkt der Immunreaktion an, etwa in dem sie die Blockade von fertig ausdifferenzierten zytotoxischen T-Zellen zu lösen (Checkpoint-Inhibitor-Therapien) und diese wieder „scharfzuschalten. Auch Behandlungskonzepte, um die T-Zell-Erschöpfung zu verhindern, wirken auf bereits ausdifferenzierte T-Zellen.
Wirkung bestehender Therapien verbessern
„Heutige Behandlungsansätze würden vermutlich effektiver, wenn die Auswirkungen des Prostaglandin E2 auf stammzellartigen T-Zellen blockiert würde, so dass sich diese sich ungehindert im Tumor ausdifferenzieren können“, sagt Sebastian Kobold.
Das gilt nicht zuletzt für Ansätze aus der jüngsten Vergangenheit, die darauf setzen, T-Zellen mit dem Protein Interleukin 2 (IL-2) anzuregen. Die aktuelle Studie zeigt, dass T-Zellen, sobald das Prostaglandin E2 an die beiden Rezeptoren bindet, nicht mehr auf IL-2 reagieren. „Wir vermuten, dass sogar körpereigene IL-2-Signale ausreichen können, um T-Zellen erfolgreich gegen Krebs vorgehen zu lassen, sobald die Auswirkungen des Prostaglandin-E2 gestoppt sind“, sagt Sebastian Kobold.
Strategien, um Tumorverteidigung zu umgehen
„Wir haben nun einen konkreten Ansatzpunkt, um Immuntherapien deutlich zu verbessern", sagt Jan Böttcher. „Jetzt müssen Forschende weltweit Strategien entwickeln, um die Verteidigung der Tumore auszuhebeln. Wir müssen die Effekte von Prostaglandin E2 stoppen – sei es, indem wir Tumore davon abhalten, das Molekül zu bilden, oder indem wir Immunzellen dafür unempfänglich machen.“
Quelle: Pressemitteilung der TUM
Originalpublikation: S.B. Lacher, J. Dörr, G. P. de Almeida, J. Hönninger, F. Bayerl, A. Hirschberger, A.-M. Pedde, P. Meiser, L. Ramsauer, T.J. Rudolph, N. Spranger, M. Morotti, A. J. Grimm, S. Jarosch, A. Oner, L. Gregor, S. Lesch, S. Michaelides, L. Fertig, D. Briukhovetska, L. Majed, S. Stock, D.H. Busch, V.R. Buchholz, P.A. Knolle, D. Zehn, D. Dangaj Laniti, S. Kobold, J.P. Böttcher, "Prostaglandin E2 curtails interleukin-2-dependent effector expansion from tumour infiltrating stem-like CD8+ T cells to promote cancer immune escape". Nature (2024). DOI: 10.1038/s41586-024-07254-x.