Ziel der zukünftigen Personalisierten Medizin ist es, das frühzeitige Auftreten einer Erkrankung im präklinischen Stadium zu erkennen, in dem der Patient noch gesund ist. Um dies zu erreichen, muss ein näheres Verständnis über die Veränderungen des Zell-Stoffwechsels innerhalb der betroffenen Organe im Frühstadium der Erkrankung erreicht werden. Darüber hinaus sollten solche Veränderungen in leicht zugänglichem Diagnosematerial nachweisbar sein. Erst mit diesem Schritt wird eine breit angelegte Diagnostik oder auch Langzeitüberwachung einzelner Patienten ermöglicht.
In einer aktuell im Wissenschaftsjournal EMBO Molecular Medicine (Mayr et al., 2021) erschienenen Studie haben DZL-Wissenschaftler den Konzeptnachweis erbracht, dass durch systemische Analysen von Körperflüssigkeiten (body fluid proteomic) Rückschlüsse auf das Stoffwechselverhalten einzelner Zellen (single-cell transcriptomic) möglich sind. So wurden spezifische Veränderungen der Genexpression, also des Ablesemusters des Erbmaterials, durch Eiweiß-Analyse des durch Bronchioalveoläre Lavage (BAL) gewonnen Materials identifiziert, um frühe Veränderungen bei Patienten mit Lungenfibrose abzuleiten. Mithilfe des Maschinellen Lernens zeigten sie, dass Proteinsignaturen in Lungenflüssigkeiten mit der Lungenfunktion in einer großen Kohorte von Patienten mit Lungenfibrose korrelieren. Diese entsprachen dem spezifischen Zellzustand und der Veränderung der Zellhäufigkeit bei der Krankheitsprogression. Die Studie identifizierte insbesondere einen aktivierten Zustand sogenannter Perizyten, eines spezifischen Zelltyps, der entlang der Wände von dünnen Blutgefäßen zu finden ist. Dieser Zellzustand korrelierte mit dem Schweregrad der Erkrankung und wurde durch die Menge des Proteins CFHR1 (complement factor H-related protein 1) in der BAL reflektiert. Die Autoren entdeckten außerdem, dass sich die De-differenzierung der Epithelzellen (alveolärer Typ II) bei der Lungenfibrose im Level des Proteins CFTAC1 widerspiegelte. Dieser Level konnte sowohl in der BAL als auch im – weitaus weniger invasiv erhältlichen – Blutplasma nachgewiesen werden. Dieses Protein ist damit ein guter Kandidat eines neuartigen peripheres Biomarkers für den Gesundheitszustand des bronchioalveolären Epithels.
Mit dieser Arbeit erstellten die Autoren erstmalig einen integrierten Atlas auf Einzel-Zell-Ebene zur menschlichen Lungenfibrose und erbrachten den Nachweis zur Korrelation einer Reihe peripherer Protein-Biomarker-Signaturen mit zellulären Veränderungen in der Lunge. Der klinische Nutzen dieser neuartigen Biomarker-Signaturen zur Überwachung der Krankheitsentwicklung muss nun in prospektiven Längsschnittstudien nachgewiesen werden. Konzeptionell stellt diese Studie einen wichtigen Beweis für das Konzept zur nicht-invasiven Überwachung des Zellstatus in der künftigen individualisierten Medizin dar.
https://www.embopress.org/doi/epdf/10.15252/emmm.202012871