Blutgerinnsel bei COVID-19 Patienten werden viel effektiver gebildet und haben ein dichteres und stabileres Gerinnsel-Netzwerk als solche von Grippe-Patienten oder gesunden Personen. Das hat ein internationales Forschungsteam herausgefunden, an dem DZL-Wissenschaftler aus Gießen, Berlin und Hannover beteiligt waren.
Eine Infektion mit SARS-CoV-2 kann nicht nur aufgrund einer schweren Lungenentzündung mit akutem Lungenversagen tödlich verlaufen. Die Erkrankung ist auch mit einer gesteigerten Gerinnselbildung (Thrombosen) und damit einhergehenden Komplikationen gekennzeichnet, etwa die Entwicklung einer Lungenembolie, eines Schlaganfalls oder eines Herzinfarkts bis hin zum Multiorganversagen.
Schon zu Beginn der Pandemie zeigten klinische Studien, dass erhöhte Spiegel des Gerinnungsproteins Fibrinogen und weiterer spezifischer Thrombose-Biomarker im Blut der COVID-19 Patienten nachweisbar waren, was auf eine gesteigerte Aktivierung der Blutgerinnung hinwies. Das Team um Prof. Malgorzata Wygrecka und Prof. em. Klaus T. Preissner (beide Justus-Liebig-Universität Gießen) untersuchte nun die Gerinnungsparameter, die Struktur der gebildeten Fibrin-Gerinnsel und die Gerinnbarkeit im Blutplasma bei Patienten mit COVID-19 und Influenza. Die mikroskopischen und funktionellen Untersuchungen zeigten, dass „Coronathromben“ viel effektiver gebildet wurden und ein dichteres und stabileres Gerinnsel-Netzwerk aufwiesen als solche von Influenza-Patienten oder der gesunden Kontrollgruppe.
Die Wissenschaftler schauten sich insbesondere den Gerinnungsfaktor XII näher an. Im Blutplasma von Corona-Patienten beobachteten sie, dass der dort aktivierte Gerinnungsfaktor die Blutgerinnung zusätzlich vorantreibt und so zur gesteigerten Gerinnselbildung beitragen kann. Außerdem ließen sich die Gerinnsel aus den Corona-Patientenplasmen schwerauflösen (Fibrinolyse), da die Patienten mehr Fibrinolyse-Inhibitoren in ihrem Blut hatten. Dies spricht dafür, dass „Corona-Gerinnsel“ langlebiger sind und damit zu thromboembolischen Komplikationen in den Patienten beitragen können. Im Lungengewebe von verstorbenen Corona-Patienten fanden die Forscher zudem massive Gerinnsel-Ablagerungen in Gefäßen und Lungenbläschen, an die der Gerinnungsfaktor XII/XIIa gebunden war.
Die Untersuchungen des aus Gießen koordinierten Forscherteams lassen den Schluss zu, dass die bereits bekannte „Hyperkoagulation“ im Blut von Corona-Infizierten sich vor allem auf die Aktivierung des Gerinnungsfaktors XII und die beschriebenen Folgereaktionen zurückführen lässt. Das Team empfiehlt den medizinischen Fachgesellschaften, den Faktor XII/XIIa als einen Kausalfaktor für Thrombose in ihren Leitlinien zur Thrombose-Prophylaxe und -Therapie von Corona-Patienten aufzunehmen.
„Da die Möglichkeit besteht, Faktor XIIa durch bereits erforschte spezifische Inhibitoren zu hemmen, könnte so eine wirksame antithrombotische Therapie bei Corona-Patienten erfolgen, ohne dass deren physiologische Hämostase und Wundheilung beeinträchtigt ist“, erklärt Preissner. Inwieweit sich diese Schlussfolgerungen aus der wissenschaftlichen Arbeit auch klinisch umsetzen lassen, soll in naher Zukunft durch weitere Studien überprüft werden.
Originalpublikation: Altered fibrin clot structure and dysregulated fibrinolysis contribute to thrombosis risk in severe COVID-19.
Quelle: Pressemitteilung der Justus-Liebig-Universität Gießen